Peter Budig, 6.3.2016
Mittelbayerische Zeitung
Haymatloz-Weltpremiere bei der Eröffnungsfeier
Am Eröffnungsabend fand nach den Feierlichkeiten eine Weltpremiere statt: „Haymatloz“, wie sich das deutsche Wort ins Türkische übertragen schreibt, eine Dokumentation der deutsch-türkischen Filmemacherin Eren Önsoz – nochmals ist die Doku am 12. März, um 16 Uhr, im KommKino zu sehen. Die Deutsch-Türken, die hier zu Wort kommen, sind alle um die 70 Jahre alt. Sie sind als Kinder in der Türkei, am traumhaft schönen Bosporus oder in Ankara aufgewachsen. Ihre Väter waren Wissenschaftler jüdischen Glaubens – als sie in Deutschland 1933 ihre Lehrstühle verloren, waren einige schlau genug, zu fliehen. Sie versammelten sich in der Schweiz und wurden vom „Vater der modernen Türkei“ Kemal Atatürk angeworben.
Im Exil brachten sie die deutschen Tugenden zur Blüte, gründeten Lehrstühle für Finanzrecht, Genetik, Botanik, Psychologie, Anatomie oder Bildhauerei und hinterließen Spuren, die bis heute sichtbar sind. Es sind nicht nur Ordnungsstrukturen, Skulpturen im öffentlichen Raum oder Nachkommen von ihnen ausgebildeter Hochschullehrer, die Zeugnis ablegen; es klingt die Sprache der Herzensfreundschaften, die entstanden sind und in Kindern und Enkeln fortwirken.
Und ganz nebenbei erfährt man von einer heute untergegangenen modernen Türkei, von einem Staatspräsidenten, der Frauen aufforderte, den Schleier abzulegen, Bildung zu erwerben, der Wissenschaft und Künste förderte. Als die Besucher nachts beim Heimkommen schnell die Zeitungstitel gegoogelt haben, hat der ein oder andere lesen können, dass die Sonntagsausgabe der regierungskritischen türkischen Zeitung „Zaman“ auf Anweisung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan unter Aufsicht einer staatlichen Treuhandverwaltung gestellt worden war. So aktuell sind die Themen dieses Festivals.